Multiprofessionelle Teams in altersgemischten Klassen
Ein Konzept für integrativen Unterricht
Artikel im Heft 1/2004 der Zeitschrift Die Deutsche Schule,
Zeitung für Erziehungswissenschaften, Bildungspolitik und pädagogische Praxis
Beim heutigen Stand der Integrationsforschung kann
man feststellen, dass Integration die pädagogisch bessere,
grundrechtlich gebotene und keineswegs teurere Alternative zur
Sonderschule darstellt. Die Konsequenz daraus muss sein, (…) das
Sonderschulwesen, beginnend mit der Schule für so genannte
Lernbehinderte, sukzessive abzubauen. Beide Systeme zu erhalten ist
weder pädagogisch noch finanzpolitisch sinnvoll und wünschenswert“
(Eberwein 2002). Die Verwirklichung der hier angedeuteten Vision setzt
voraus, dass Pädagogen mit unterschiedlichen Berufsausbildungen bereit
und in der Lage sind, im Schulalltag zu kooperieren. Der vorliegende
Beitrag versucht die wesentlichen Elemente, aber auch die Grenzen
multiprofessioneller Teamarbeit darzustellen. Wie kann angesichts der
Notwendigkeit von gemeinsamen integrativen Aufgaben eine Teamarbeit „auf
gleicher Augenhöhe“ in der täglichen Erziehungswirklichkeit wachsen?
In seiner kritischen Bestandsaufnahme schulischer
„Integration“ von „Behinderten“ oder „Entwicklungsverzögerten“ verweist
Hinz (2002) auf einen grundlegenden Widerspruch: Damit ein Kind
integriert werden kann, muss es zunächst einmal administrativ durch
„Zurückstellung“ oder „Feststellung des sonderpädagogischen
Förderbedarfes“ als „Anderes“ konstruiert werden. Um die
Personalausstattung verbessern zu können, müssen möglichst viele Kinder
zu „Anderen“ gemacht werden. Die personelle Kontinuität einer Schule,
und damit auch die Entwicklungsmöglichkeiten von Teamarbeit sind
abhängig von der Etikettierung einzelner „Förderkinder“.
Die Pro-Kopf-Zuweisung des sonderpädagogischen Personals
verführt im pädagogischen Alltag zu einer „exklusiven“ Zuständigkeit
„anderer“ Pädagogen für „andere“ Kinder. Ein Sonderschullehrer könnte
sagen: „Ich bin für diesen Schüler eingestellt worden. Als Experte
bestimme ich den Förderplan.“ Durch solche Alleinzuständigkeit wird
Teamarbeit erschwert. Revierkämpfe auf der Ebene der Pädagogen sind
nicht selten. Sie fallen in einem Schulsystem auf fruchtbaren Boden, in
dem auf die Heterogenität der Kinder mit Selektion oder bestenfalls mit
äußerer Differenzierung geantwortet wird. Statt des angestrebten
gemeinsamen Lernens entstehen additive Fördersituationen, in denen
Sonderpädagogen für „Sonderschüler“ Sonderprogramme in Sonderräumen
anbieten. Ein solches Hinzufügen einer sonderpädagogischen
Reparaturwerkstatt bewirkt keine messbare Zunahme von Schulleistungen,
wie empirische Untersuchungen belegen (vgl. Reiser 1997, S. 266).
Schüler mit Lernrückständen erzielen also trotz zusätzlicher
Personalressource keinen Lernzuwachs! Aus systemischer Sicht liegt in
multiprofessioneller Zusammenarbeit eine große Chance für das Lernklima
in einer Schulklasse. Personelle Ressourcen dürften dann aber nicht für
die einzelnen „“ Kinder (Pro-Kopf-Zuweisung), sondern für die Schule als
„Haus des Lernens“ zur Verfügung gestellt werden (Modellbeispiele:
Hessen, vgl. Reiser 1997; Hamburg, vgl. Hinz 2002).
Nicht nur bei der Integration von so genannten
Sonderschülern, sondern auch bei der Förderung „entwicklungsverzögerter“
„Schulkindergarten“-Kinder in Grundschulklassen muss die einzelne
Schule ein Konzept für die Kooperation verschiedener pädagogischer
Professionen entwickeln. In der aktuellen Diskussion um die
„Schuleingangsstufe“ wird nach Wegen gesucht, wie „Schulfähigkeit“ oder
„Anschlussfähigkeit“ zu erreichen ist, wenn die
„entwicklungsverzögerten“ Kinder ohne „ Vorschule“ direkt aus dem
Kindergarten in die Grundschule kommen. Wenn das bisherige
sozialpädagogische Zwischenglied „Schulkindergarten“ aufgelöst wird,
müssen sowohl der Kindergarten als auch die Grundschule gemeinsam dessen
Aufgabe übernehmen. Nicht weniger als die Kooperation von Elementar-,
Sozial-, Sonder- und Grundschulpädagogik ist gefordert! Die integrative
Förderung von Kindern, die „entwicklungsverzögert“ bzw.
„lernbeeinträchtigt“ oder „verhaltensgestört“ sind, erfordert eine
Neuorientierung von Grundschul-, Sonder- und Sozialpädagogik in Bezug
auf den Schulanfang. Dabei ist zu prüfen, inwieweit die personellen
Rahmenbedingungen und Weiterbildungsanstrengungen in Kindergarten und
Grundschule für die sich wandelnden Aufgabenfelder gesteigert werden
müssen.
Ein Blick in die Geschichte des deutschen Erziehungswesens
zeigt, wie weit Schule und sozialpädagogische Institutionen auseinander
gedriftet sind. Mit der Schrumpfung der Ganztags- zur Vormittagsschule
vor mehr als hundert Jahren entstand eine fürsorgerische und
sozialerzieherische Lücke. Diese wurde von der Jugendpflege gefüllt,
während sich die Schule mehr und mehr auf ihre „unterrichtlichen“
Funktionen beschränkte (vgl. Konrad 1997, Ludwig 1993). Die allgemeine
Schule war für den „normalen“ Schüler zuständig, jeder „andere“ wurde in
der Regel ausgegrenzt. Ein Bildungsrecht für „Behinderte“ musste erst
erkämpft werden.
Wie soll trotz des noch immer bestehenden, historisch
bedingten Spannungsverhältnisses zwischen benachbarten pädagogischen
Berufsgruppen eine Kooperation gestaltet werden? Obwohl sich diese
Aufgabenfelder überschneiden, sind noch immer verschiedene
Verwaltungsabteilungen zuständig. Die Gehaltsunterschiede der Pädagogen
sind so gravierend, dass nicht selten ein resigniertes Kopfschütteln die
gewünschte Kooperation behindert. An zwei Beispielen der Integration so
genannter Lernbehinderter und Verhaltensgestörter in der Grundschule
möchte ich spezielle Probleme der multiprofessionellen Kooperation
andeuten.
Auch integrative Unterrichtung von Kindern mit
Lernbeeinträchtigungen kann gesellschaftliche Erwartungen nicht
aushebeln: Gruppenvergleiche bestehen trotz integrativer Bemühungen.
Zusätzliche Förderungen schließen heimliche Stigmatisierungen nicht aus.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in einem „Schulfähigkeitsprofil“
(2003) formuliert, was von einem Schulanfänger verlangt wird. Ziel
dieser Auflistung ist, Eltern und Kindergärten „vor allem eine klare
Orientierung“ zu vermitteln. Ein Kind, das den Anforderungen nicht
genügt, soll bereits im Kindergarten verstärkt gefördert und
anschließend in der Grundschule lernzieldifferent unterrichtet werden.
Trotz der im Alltag andauernden Gruppenvergleiche soll auch das einzelne
„schwache“ Kind Mut am Lernen finden. Der Widerspruch besteht darin,
dass ja erst Vergleiche zur Bezugsgruppe das jeweilige Kind zu einem
„anderen“, nämlich förderbedürftigen machen, aber das Bewusstwerden
dieses Unterschieds zu „normalen“ Kindern auf das Kind selbst
entmutigend wirken kann. Hier zeigen sich Grenzen integrativer
Unterrichtung von Kindern mit Lernbeeinträchtigungen. Ein Ausweg aus
diesem Dilemma scheint die Einrichtung jahrgangsübergreifender Klassen
zu sein. Die bewusste Vergrößerung der ohnehin bestehenden Heterogenität
kann entmutigende Gruppenvergleiche – auch die der Eltern – reduzieren
helfen, wie weiter unten erläutert wird. Dieser Ansatz fordert von den
Pädagogen ein anderes Verständnis ihrer Arbeit: Die Klasse als
gemeinsamer Lern- und Erfahrungsraum tritt mehr in den Vordergrund (vgl.
Reiser 1997). Personelle (nicht immer multiprofessionelle)
Doppelbesetzungen sind zumindest zeitweise unumgänglich, wie Erfahrungen
aus Schulprojekten zeigen, sie garantieren aber nicht automatisch einen
Leistungszuwachs. So sollte Heterogenität als Normalität akzeptiert
werden und „die Aufsplitterung von Zuständigkeiten für die ,einen‘ und
die ,anderen‘ Kinder ersetzt werden durch die gemeinsame Zuständigkeit
für alle Mitglieder einer Lerngruppe und die gemeinsame Reflexion der
Gesamtsituation“ (Hinz 2002, S. 357). Soll die Arbeit über rein
„additive“ Fördersituationen hinaus in klassenbezogenen Teams erfolgen,
sind umfangreiche Stützmaßnahmen, wie z.B. Supervisionen erforderlich.
Anders als durch Kinder mit Lernbeeinträchtigungen wird die
integrative Grundschularbeit durch einige Kinder mit Verhaltensstörungen
an ihre Grenzen gebracht. Auch hier bietet die jahrgangsübergreifende
Klasse besondere Vorteile. In ihr lassen sich die notwendigen Routinen
und Regeln des Miteinanderlebens leichter vermitteln; denn die bereits
bestehende altersgemischte Klassengemeinschaft bietet dem Schulanfänger
klare Strukturen an, die zügig tradiert werden. Da jedoch Kinder mit
extremen Verhaltensstörungen die Regeln des Zusammenlebens einer
Schulklasse immer wieder massiv überschreiten, wird die Tragfähigkeit
der Integration einer einzelnen Schule zuweilen stark auf die Probe
gestellt: Besonders gravierend wirken die Belastungen für die
Grundschule dann, wenn sich die Familie eines nicht gruppenfähigen
Kindes über längere Zeiträume einer Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe
und der Schule entzieht und ihm und seiner Familie keine umfassende
sozialpädagogische und therapeutische Betreuung zukommt. Das Kind kommt
jedoch täglich erneut in die Schulklasse und macht durch erhebliche
Probleme auf sich aufmerksam. Die Schule wird nicht selten zum letzten
Zufluchtsort des Kindes. Die Klassenlehrerin als Bezugsperson erfüllt
einen erweiterten Auftrag: Sozialpädagogik und aufsuchende Sozialarbeit
werden zu ihrem Tätigkeitsfeld. Schulen und nicht die EItern sind der
letzte Haltepunkt vor einer „Straßenkarriere“ (vgl. Iben u.a. 2002; Kilb
2003). Die geltenden systemeigenen Regeln der Schule und der
Sozialarbeit sind häufig unzureichend für den Umgang mit diesen
Familien. Ein in der Schule mitwirkender Sozialarbeiter „vor Ort“ könnte
Unterstützung leisten. Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe
ist notwendig und erfordert erneut auf allen Seiten den ungewohnten
Blick über den Tellerrand eigener Professionalität. Die häusliche
Lebenslagen von Kindern als gemeinsames multiprofessionelles
Alltagsgeschäft zu definieren, könnte vielfältige Kompetenz- und
Ressourcenkombinationen herstellen (vgl. Kilb 2003). Helmut Reiser
(1997) belegt, dass Schulen nicht allein durch sonderpädagogische
Förderung in die Lage versetzt werden, massive Verhaltensstörungen zu
handhaben. „Es kommt zur Selektion durch Schulverweise,
Schulausschlüsse, Schuleschwänzen, Heim- und Psychiatrieüberweisungen,
wo dann wiederum Sonderbeschulung erforderlich wird“ (Reiser 1997).
Ergebnisse der Lehrerbelastungsforschung zeigen, dass Lehrer
am stärksten durch Verhaltens- und Lernstörungen ihrer Schüler
beansprucht werden (vgl. Stähling 1998). Häufig wirken sich diese
Beanspruchungen auf die Effizienz des Lehrerhandelns negativ aus. So ist
damit zu rechnen, dass angestrebte Integrationsvorhaben, die eine hohe
Unterrichtsqualität erfordern, nicht zum Erfolg führen. Besonders starke
Berufsbelastungen sind zu erwarten, wenn Grundschullehrerinnen noch
immer als „pädagogische Zehnkämpfer“ in der überwiegenden Zeit alleine
für eine Klasse zuständig sind. Gerade in den ersten Monaten eines
altershomogenen ersten Schuljahrs sind Grundschulpädagogen mit dem
Einführen von sozialen Strukturen häufig überfordert.
Der folgende Bericht stammt aus einer Grundschule, die ein
Konzept entworfen hat, das Elementar- Sozial- und Sonderpädagogik mit
Grundschulpädagogik verknüpft. Die Darstellung konzentriert sich vor
allem auf die Kooperation der Pädagogen beim Schulanfang. Der
vorliegende Text ist das Ergebnis von Gesprächen in mehreren
Arbeitskreisen der Schule über viele Jahre hinweg. Er versucht häufig
gestellte Fragen zu beantworten.
1. Entstehung der multiprofessionellen Teams
Die Grundschule Berg Fidel liegt in einem sozialen Brennpunkt
in Münster. Unsere Klassen sind heterogen gemischt, nicht nur in Bezug
auf Leistungsfähigkeit, sondern auch auf Alter, Kompetenzen, kulturelle
Gewohnheiten und sozialen Status. Die Schule unterrichtet rund 210
Schüler in Ganztags- bzw. Vormittagsklassen. 60 % der Kinder haben einen
„Migrantenhintergrund“ und stammen aus 22 Nationen. Etwa 15
„Schulkindergartenkinder“ und 20 „Sonderschüler“ (Förderbedarf im
Bereich Erziehungshilfe und Lernbehinderung) werden integriert. Die
Grundschule hat als Schule im sozialen Brennpunkt einen „erweiterten
pädagogischen Auftrag“: Sie leistet neben dem Unterricht pädagogische
Entwicklungsarbeit, ist Zentrum für schulgebundene Sozialarbeit,
Elternbegegnung und Stadtteilkultur (vgl. Ramseger 2001, S. 38). Schon
vor mehr als zwanzig Jahren wurden die Lehrerinnen unserer Schule durch
die Heterogenität der Schülerschaft gezwungen, den Unterricht mehr zu
differenzieren und individualisieren. Sie entwickelten
Unterrichtsformen, die reformpädagogische Elemente aufgriffen. In jeder
Klasse war es notwendig nicht nur den Stoff des jeweiligen Jahrgangs zu
unterrichten, sondern jahrgangsübergreifend zu fördern. Differenzierung
und Individualisierung gehörten seit langem zum Alltag (vgl. Pollert
2002). Um besser auf die Kinder des Stadtteils reagieren zu können,
begannen wir 1992 mit dem Aufbau eines Ganztagszweiges. In den vier
Ganztagsklassen arbeiten drei Erzieherinnen (2 halbe Stellen und 1 ganze
Stelle) und zwölf pädagogische Assistenten (Studenten zumeist) mit den
Klassenlehrerinnen in festen Teams. In wöchentlichen Teamsitzungen und
halbjährlichen Teamtagungen wird die Arbeit reflektiert und koordiniert.
Das besondere Kennzeichen unseres Ganztagskonzepts ist, dass die Klasse
in denselben Räumen mit dem Team über 4 Jahre konstant zusammen bleibt
(vgl. Stähling 2002). Die Erfahrungen aus der Teamarbeit im Ganztag
übertrugen wir Jahre später auf die anderen Klassen der Schule, die erst
seit der Beschäftigung von Sonder- und Sozialpädagogen Teams bilden
konnten.
1997 wurde die erste Sonderschullehrerin für Schüler mit
sonderpädagogischen Förderbedarf eingestellt. Eine weitere
Sonderschullehrerin und zwei Sozialpädagoginnen folgten in den nächsten
Jahren. Diese vier Sonderpädagogen arbeiten meist als Teilzeitkräfte in
Teams zusammen mit den Klassenlehrern. Die Teamsitzungen finden
inzwischen in allen Klassen wöchentlich statt und sind im
Mitarbeiter-Stundenplan ausgewiesen. Zeitgleich vertieften wir uns im
Rahmen eines Eltern-Lehrer-Arbeitskreises in Konzepte
jahrgangsübergreifenden Arbeitens. Wir hospitierten an reformpädagogisch
orientierten Schulen, besonders an Petersen- und Montessori-Schulen und
entwickelten einen Plan zur Einführung der Altersmischung an unserer
Schule. Im Jahr 2002 entschieden wir uns für die Einführung
altersgemischter Klassen. Im gleichen Jahr wurde im Rahmen der
nordrhein-westfälischen „Schuleingangsphase“ eine
Schulkindergartenleiterin (Sozialpädagogin) eingestellt, die
„zurückgestellte“ Kinder in altersgemischten Klassen integrativ fördert.
Die Arbeit wird im Team mit Klassenlehrerinnen und Sonderpädagoginnen
koordiniert.
2. Vorteile der altersgemischten Klasse
Das neue Bildungsmodell der „Eingangsstufe“ enthält eine
Klassenorganisation mit gemischten Altersgruppen. Das Konzept der
Altersmischung von vier Jahrgängen, das sich für unsere Schule als
sinnvoll erweist, unterscheidet sich grundlegend von der „Eingangsstufe“
(vgl. Faust-Siehl/Speck-Hamdan 200 1), die nur auf zwei Schuljahre
angelegt ist und daher die übliche kontinuierliche Begleitung der Kinder
durch die Klassenlehrerin und das Team aufgibt. Nach unserem Konzept
wechseln Pädagogen, Mitschüler und Klassenraum als vertraute Umgebung
nicht; denn besonders Kinder im sozialen Brennpunkt sind auf beständige
Beziehungen und Strukturen angewiesen. Auch aus Sicht der
Grundschullehrerinnen ist die zweijährige Eingangsstufe sehr
problematisch: Es kommt zu einer unangemessenen Spezialisierung, da die
Klassenlehrerinnen nur noch vorwiegend entweder in der Stufe 1 bis 2
oder 3 bis 4 eingesetzt werden. Die Bildung von Kooperationsformen mit
Eltern und Mitarbeitern wird behindert, obgleich sich gerade die
kontinuierliche Zusammenarbeit als sehr bedeutsam für die Förderung der
Kinder erwiesen hat.
In den Klassen 1 bis 3 unseres Halbtagszweigs findet z. Z.
der Unterrichtjahrgangsübergreifend statt. Die Schule plant, in den
nächsten Jahren alle Jahrgangsklassen schrittweise aufzulösen. In jeder
Klasse wird es dann Kinder aus den Jahrgängen 1 bis 4 geben (vgl. Hesse
1993). Außergewöhnlich hoher Einsatz und fundierte Erfahrungen mit
innerer Differenzierung sind erforderlich, um als Klassenlehrerin eine
altersgemischten Klasse leiten zu können. Dabei kann entlastend wirken,
dass die pädagogische Arbeit in festen multiprofessionellen Teams
erfolgt. Die Zuständigkeit für die Klasse liegt nicht mehr allein in der
Hand des „Einzelkämpfers“ Grundschullehrer. Daher werden von allen
Mitarbeitem Teamkompetenzen vorausgesetzt.
Die bisher vorgelegten Forschungsarbeiten zum
altersgemischten Lernen lassen noch kaum Rückschlüsse für die Gestaltung
vonjahrgangsübergreifendem Unterricht zu (vgl. Stamm 2003). Die
folgenden Begründungszusammenhänge ergeben sich aus Erfahrungsberichten
und Hospitationseindrücken, die Mitarbeiter unserer Schule über Jahre
gesammelt haben. Unter der Voraussetzung, dass im Unterricht mit
zeitweiligen Doppelbesetzungen gearbeitet wird, sind
jahrgangsübergreifende Klassen mit den Jahrgängen 1 bis 4 für die
integrative Unterrichtung sinnvoll. Sie ermöglichen
... 1. eine individuelle Verweildauer: Es gibt kein
„Sitzenbleiben“ und keine Zurückstellungen im herkömmlichen Sinne. Wer
sich langsamer entwickelt, kann fünf Jahre in der Klasse bleiben, ohne
Wechsel der Pädagogen, der Klasse oder des Raums. Langsame Lerner können
zeitweise mit Kindern der unteren Jahrgangsstufe arbeiten. Besonders
leistungsstarke Schüler lernen mit den „Großen“. Einige Schüler
verlassen bereits nach drei Jahren die Grundschule.
... 2. sinnvolle Gruppierungen: Sie sorgen für bessere
Leistungsmöglichkeiten durch eine noch bessere Differenzierung. Die
Bezugsgruppe jedes einzelnen Kindes ist nicht mehr vorrangig die
altershomogene Gruppe, sondern die Klassengemeinschaft, die einen
gemeinsamen Erfahrungsraum bietet. Besonders wichtig für Kinder mit
Lernbeeinträchtigungen ist die Abtrennung der Leistungsbeurteilung von
der Beurteilung der Person. Jedes Kind soll individuelle
Lernfortschritte erleben. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die
Integration von „Schulkindergartenkindern ... .. Sonderschülern“ und
auch „besonders begabten“ Kindern.
... 3. ein Lernen in Kooperation: Kinder erproben, was
„Große“ schon leisten, die „Großen“ können öfter mit den jüngeren
Schüler wiederholen und auffrischen, d. h. es werden optimale Angebote
durch passende Anreize und Kooperation geboten. Manche Kinder lernen
selbst erst durch Situationen, in denen sie anderen etwas erklären
müssen. Das Lernen durch Lehren wird verstärkt genutzt. Die Pädagogen
übernehmen dabei zunehmend die Rolle von Lernberatern.
... 4. soziales Lernen und soziale Mitverantwortung nicht nur
durch gegenseitiges Helfen beim Lernen, sondern auch durch Einführung
in das Zusammenleben der Klasse und Schule: Die sozialen Strukturen,
Abläufe, Regeln, Routinen und Reviere sind in der altersgemischten
Klasse bereits „eingespielt“ und für alle transparent. Dies ist eine
entscheidende Stütze für die Integration von Kindern mit
Verhaltensstörungen. Auch Einzelkinder machen „geschwisterliche“
Erfahrungen: Sie entwickeln soziale Kompetenzen im Umgang mit „jüngeren
oder älteren, ähnlichen und sehr unterschiedlichen“ Kindern.
... 5. eine Organisation, bei der in jedem Jahr nur 4 bis 7
neue Lerner in eine Klassengemeinschaft hineinwachsen: Für die ganze
Schule können etwa gleich große Klassen gebildet werden. Zu kleine oder
zu große Klassen gibt es nicht mehr, weil eine passende
Schüler-Lehrer-Relation eingehalten werden kann. So werden
Doppelbesetzungen leichter ermöglicht, da nicht Lehrerstunden in zu
kleinen Klassen „verbraucht‘ werden müssen.
2. „Schulkindergarten-Arbeit“
Die beschriebene Heterogenität unserer Schülerschaft
konkretisiert sich in folgenden Daten des Gesundheitsamtes aus der
Vorschuluntersuchung des Jahres 2001. Aus den Untersuchungsergebnissen
der Kindergartenkinder leiten wir für die Grundschule ab:
... Bei 74 % der deutschen und 80 % der Migrantenkinder ist
der CPM-Testwert auffällig, hochgerechnet auf die gesamte Schülerzahl
sind mindestens 100 Kinder lernschwach.
... Bei 32 % der Migranten- und 60 % der deutschen Kinder ist
das Verhalten auffällig, hochgerechnet auf die gesamte Schülerzahl sind
40–50 Kinder verhaltensauffällig.
... Zudem brauchen 68 % der Migrantenkinder
Sprachförderunterricht, hochgerechnet auf die Schülerzahl haben trotz
des Sprachförderunterrichts etwa 90 Kinder unzureichende
Deutschkenntnisse.
... 17 bis 26 % der Einschulungskinder brauchen eine
Sprachtherapie, von etwa 55 Schulanfängern haben rund 10 Erstklässler
sprachtherapeutischen Behandlungsbedarf.
Bei einzelnen Kindern wurden mehrere Auffälligkeiten
festgestellt. Folglich kann man mit einer Gesamtzahl von mindestens 100
förderbedürftigen Kindern rechnen. Pro Klasse erweisen sich
durchschnittlich mindestens 10 Kinder als förderbedürftig. Aus den
schulärztlichen Erhebungsdaten im Kindergarten leitet die Grundschule
Berg Fidel die Notwendigkeit ab, zur Prävention von
Lernentwicklungsdefiziten oder Behebung von Lernstörungen den
Schulanfang mit starken Stützmaßnahmen zu versehen. Besonders im
Lernbereich stehen den Kindergärten aus finanziellen Gründen kaum
präventive, heilpädagogische Kräfte zur Verfügung. Auch die notwendigen
Sprachheilbehandlungen kommt in der Regel zu kurz. Dies hat erhebliche
Verzögerungen im Schriftspracherwerb zur Folge. Eine verstärkte
Anstrengung unserer Schule beim Übergang vom Kindergarten zur
Grundschule ist daher dringend erforderlich. Die Schulkindergartenarbeit
kann nicht ersatzlos wegfallen, sondern muss im Gegenteil noch
verstärkt werden, indem die Arbeit der ehemaligen
„Schulkindergartenleiterin“ (im Weiteren Sozialpädagogin genannt) in die
sonstigen Förderbemühungen des Kindergartens und der Grundschule
integriert wird. Teams aus Experten des Kindergartens, des
Schulkindergartens, der Grundschule und der Sonderpädagogik gestalten
gemeinsam die Förderarbeit der Schulanfänger:
3.1 Kooperation Kindergarten – Grundschule
Folgende Aufgabenschwerpunkte sind bedeutsam:
• Regelmäßige Arbeitskreistreffen mit den Kindergärten zur
konzeptionellen Gestaltung des Übergangs Kindergarten-Grundschule und
zum Austausch von Kompetenzen und Erfahrungen. Die Einbindung von
Elternvertretern aus Schule und Kindergärten in den Arbeitskreis ist
sinnvoll.
• Hospitationen in den Kindergärten und frühzeitiger
Kontaktaufbau zu Kindergartenkindern, um einen schonenden Übergang zu
gestalten.
• Infoabende der Schule für Eltern der Kindergartenkinder vor der Schulanmeldung
• Sprachstandserhebung der Kindergartenkinder. Kurz nach der
Schulanmeldung beginnen die Lernstandserhebungen, die die
Sozialpädagogin mit jedem Kind durchführt. Eltern der Kindergartenkinder
werden bereits früh informiert und um eine schriftliche
Einverständniserklärung gebeten. Danach starten die Erzieherinnen der
Kindergärten die Förderung. Sie werden dabei beratend unterstützt durch
die Sozialpädagogin und durch Teilnahme an Fortbildungen.
• Die Lernausgangslage der Kinder wird in Zusammenarbeit mit
Erzieherinnen, Sonderpädagogen, schulärztlichem Dienst, durch
Beobachtungen der Kinder und Gespräche mit Eltern ermittelt (Fein- und
Grobmotorik, Sprechen, Sprache, Sozialverhalten, mathematische
Auffassung). Der individuelle Entwicklungsstand ist Grundlage der
Förderung. Kontakte zu Fachdiensten und Beratungsstellen werden
frühzeitig hergestellt. Eltern werden über den Lernentwicklungsstand und
entsprechende Fördermöglichkeiten beraten.
3.2 Teamarbeit in den Grundschulklassen
Die Förderung entwicklungsverzögerter Schulanfänger geschieht
in Absprache mit allen Beteiligten. In den Teamsitzungen erarbeiten
Klassenlehrerin, Sonderpädagogin und Sozialpädagogin zusammen
Förderpläne. Die Förderung wird in Einzel- oder Gruppenarbeit
durchgeführt, ist aber auch im gesamten Unterrichtsalltag eingebettet
und wird ständig koordiniert. In der jahrgangsübergreifenden Klasse
unterstützten ältere Kinder die Förderung. Schwerpunkte der Arbeit der
Sozialpädagogin in der Schuleingangsphase liegen in folgenden Bereichen:
• Förderung der Basisfähigkeiten als Grundlage für weitere Lernprozesse
• Angebote zur Wahrnehmungsförderung: besonders im auditiven
Bereich, z.B. Abhörübungen mit sprachauffälligen Kindern, Sprechübungen
• Täglich eine Stunde in der Gruppe Sportförderung,
Spielzeit, kreatives und musisches Gestalten, mathematische Spiele
Die Klassenlehrerin wird bei ihrer sehr komplexen Tätigkeit
entlastet. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist der
Deutschunterricht. Ein integriertes Sprachförderkonzept im Teamteaching
ist nach den Erfahrungen Berliner Brennpunktschulen für das Erlernen der
deutschen Sprache besser geeignet als die gesonderten Kurse „Deutsch
als Zweitsprache“ (vgl. Ramseger u.a. 200 1). Deutsch- bzw.
Alphabetisierungskurse für die Mütter der Schulkinder tragen zu einer
größeren Aufnahmebereitschaft der Kinder im Sprachunterricht bei.
Da ein Teil der genannten Entwicklungsstörungen auf
Vernachlässigung und Gefährdung des Kindeswohls zurück zu führen ist,
muss als nächster Schritt die Verstärkung der aufsuchenden Sozialarbeit
in Zusammenarbeit mit der Schule erfolgen. Durch Hausbesuche der
Erzieherinnen, der Klassenlehrerinnen, der Sozial- und
Sonderpädagoginnen erbringt die Schule bereits einen großen Beitrag zur
sozialarbeiterischer Tätigkeit.
4. Sonderpädagogische Arbeit
Die Daten des Gesundheitsamtes über die Förderbedürftigkeit
der Kinder im Stadtteil Berg Fidel machen deutlich, dass die Grundschule
im sozialen Brennpunkt ein sonderpädagogisches Konzept braucht. Immer
ist die gesamte Klasse mit durchschnittlich 10 förderbedürftigen Kindern
ins Blickfeld zu nehmen und nicht nur die „etikettierten“ Kinder mit
sonderpädagogischem Förderbedarf Für die Sonderpädagogik gilt also in
weiten Teilen das Gleiche, wie für die sozialpädagogische
„Schulkindergartenarbeit“: Die sonderpädagogische Förderung ist in die
Arbeit der Klasse integriert und wirkt als Teil der allgemeinen
Pädagogik. Hiermit befürworten wir nicht einen „grundschulpädagogischen
Alleinvertretungsanspruch“ (vgl. Reiser 1997, S. 273), sondern
beabsichtigen, dass die pädagogische Arbeit durch feste
multiprofessionelle Teams gestaltet wird. Über didaktisch-methodischen
Entscheidungen muss mit allen Pädagogen gesprochen und möglichst Konsens
erzielt werden. Die unterschiedlichen beruflichen Ausbildungen wirken
nicht trennend, sondern sind Basis für ein gemeinsames Projekt. Diesem
Modell liegen alle additiven Reparaturversuche fern. Vielmehr geht es um
einen integrativen – oder besser „inklusiven“ (vgl. Hinz 2002) – Ansatz
einer „Schule für alle“, in der gemeinsame Zuständigkeiten den
Berufsalltag prägen.
Die Verteilung der Förderkräfte auf alle Klassen ist die
Konsequenz integrativen Arbeitens in einer Schule, die im sozialen
Brennpunkt liegt. Feste Teams mit festgelegten Stundenanteilen der
Sonderpädagogik bilden die Arbeitsgrundlage. Das Modell eines
„lntegrations-Zugs“ neben anderen Zügen für ausschließlich
„Nicht-Behinderte“ erweist sich bei solchen Schülerdaten als nicht
praktikabel, da bei Schulbeginn die sonderpädagogische
Förderbedürftigkeit eines größeren Teils der Kinder noch nicht
festgestellt werden kann. Die Verteilung der Förderkräfte auf alle
Klassen bietet dagegen die Möglichkeit, flexibel auf die Entwicklung
einer Klasse zu reagieren. Die Mitarbeiter der jeweiligen Klassenteams
schätzen ihre Kräfte realistisch ein und können die Grenzen der
Belastbarkeit des Systems „Klasse“ früh erkennen. Wenn ein Förderkind in
einer Klasse etwa wegen seines Verhaltens nicht mehr integrierbar
erscheint, kann das Team durch geeignete Maßnahmen gegensteuern.
Beispielsweise kann eine zeitlich befristete Förderung in einem
separaten „Trainingsraum“ für ein Kind mit Verhaltensstörungen sinnvoll
sein, wenn die genaue Dosierung und die spezifischen Rahmenbedingungen
dieser Maßnahme (z.B. Elternberatung, Konsequenzen bei Regelverstößen)
mit dem Team abgesprochen sind. Rivalitäten um die Zuständigkeit oder
Vorgehensweise der Pädagogen können die Wirkung solcher Förderung
schmälern. Teamsupervision gehört daher als Bestandteil integrativer
Unterrichtung zum Erfolgsrezept einer Schule im sozialen Brennpunkt. Als
Stützmaßnahme bietet die schulpsychologische Beratungsstelle für die
multiprofessionellen Teams Supervision an, die zunehmend genutzt wird.
Durch die Mitarbeit der Sonder- und Sozialpädagogen in den Klassen-Teams
wird die gesamte Grundschularbeit entlastet. Einer Überbeanspruchung
kann vorgebeugt werden, indem regelmäßig in Teamsitzungen auch Zeit für
die Befindlichkeit und den positiven Rückblick reserviert ist.
In mehreren Konferenzen wurde dieses Förderkonzept diskutiert
und im Konsens mit allen betroffenen Mitarbeitem die Verteilung der
sonderpädagogischen Kräfte auf alle Klassen festgelegt. Fürjedes
förderbedürftige Kind wird im Team ein individueller „Förderplan“
entworfen, der nach zwei bis drei Monaten evaluiert wird. Dazu wurde ein
Leitfaden erarbeitet. Das Team legt gemeinsam Förderziele,
Fördermaßnahmen und Aufgabenverteilung für jeden Lern- und
Entwicklungsbereich fest und wertet die Ergebnisse der Förderarbeit aus.
Auch Elterngespräche werden in den Förderplänen dokumentiert.
5. Bedingungen für die integrative Arbeit mit Schulanfängern
Die Grundschule im sozialen Brennpunkt braucht für die Arbeit mit Schulanfängern mehr als andere ...
... regelmäßige Kooperation mit den Kindergärten, sozialpädagogischen Fachdiensten, psychologischen Beratungsstellen,
... regelmäßige Fortbildungen und Austausch mit anderen Schulen,
... Integration der Kinder mit Lern- und
Verhaltensauffälligkeiten in alle Klassen, ohne Aussonderung durch einen
„lntegrations-Zug“,
... stabile und über vier Jahre bestehende Bindungen zwischen
Pädagogen und Kindern, kein Abschied nach dem zweiten Schuljahr, feste
Bezugspersonen für die Kinder,
... feste Tagesstruktur und hohe Transparenz für Kinder und Mitarbeiter,
... zeitweilige Doppelbesetzungen in den Klassen,
... Klassenräume mit Lernecken,
... zusätzliche Förder- oder Mehrzweckräume und Nutzung geheizter Flure zum Arbeiten,
... Individualisierung des Unterrichts mit vielfältigen
Lernangeboten und Materialien, gestützt z.B. durch Wochenarbeitspläne,
Anforderungen orientiert am Entwicklungsstand jedes Kindes.
... Zu wünschen ist eine pauschale Stellenzuweisung von
Sonder- und Sozialpädagogen statt der Koppelung von Stellen an einzelne
„behinderte“ oder „zurückgestellte“ Kinder“. Hilfebedürftige Eltern
sollten durch aufsuchende Sozialarbeit in engster Kooperation mit der
Schule gestützt werden.
6. Bedingungen für multiprofessionelle Teamarbeit
Multiprofessionelle Kooperation in Teams braucht ...
... feste Teams, die für die Klassen über mehrere Jahre zuständig sind,
... Verteilung der Stunden der sonder- und sozialpädagogischen Kräfte auf mehrere Klassen,
... klare Arbeitsstruktur und Vereinbarung über
Zuständigkeiten, ... Zeit für wöchentliche Teamsitzungen in jeder
Klasse,
... alle 6 bis 8 Wochen Team-Supervision,
... Leitfaden für die Team-Erarbeitung eines individuellen Förderplans fürjedes förderbedürftige Kind,
... Orientierung am Können und nicht nur an Defiziten der Kinder,
... ein Berufsverständnis, bei dem der gelernte Beruf
(Grundschullehrer, Erzieher, Sozialpädagoge, Sonderschullehrer) nur die
Basis für die pädagogische Arbeit darstellt.
7. Fazit
Die wichtigste Bedingung für das Gelingen der
vielschichtigen, multiprofessionellen Teamarbeit ist die gemeinsame
Zuständigkeit für alle Kinder einer Klasse. Nur in einem festen Team
können die Belastungen bei der Arbeit mit Kindern, die Lern- oder
Verhaltensstörungen zeigen, auf mehrere Schultern verteilt werden.
Lernzuwächse sind nicht durch isolierte, additive Maßnahmen zu
erreichen. Individuelle Förderung heißt nicht, dass sich ein „Experte“
um „sein“ Kind kümmert, ohne die Gruppe der Mitschüler und die
Teammitarbeiter im Blick zu haben. Für den Lernerfolg der Kinder ist
nicht allein das passende Lernprogramm verantwortlich, sondern auch die
Klassengemeinschaft. Es kann einer Sonderpädagogin im Team nicht
gleichgültig sein, wie der Unterricht in der Klasse gestaltet wird.
Integration kann also gelingen, wenn die Klassenlehrerin sich mit
Sonder- und Sozialpädagogen „auf gleicher Augenhöhe“ über den Unterricht
verständigt. Die gemeinsame Suche nach Problemlösungen und die
Entwicklung von Konzepten kosten Zeit, die jeder Schule zur Verfügung
gestellt werden sollte. Der multiprofessionelle Austausch gelingt nur
selten „auf den ersten Blick“ und muss ermutigend begleitet werden.
Supervisionssitzungen mit externem Beratern gehören zum
selbstverständlichen Bestandteil der Teamarbeit. Die soziale und
emotionale Seite des Pädagogenberufs ist keine Nebensächlichkeit,
sondern Fundament des Berufsalltags. Alles andere baut darauf auf.
Literatur
Eberwein, Hans: Kritik am Haushaltsvorbehalt der Länder
gegenüber der integrativen Unterrichtung von Kindern mit
„Behinderungen“. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 53, 2002, 9, S.
368–370
Faust-Siehl, Gabriele / Speck-Hamdan, Angelika (Hg.):
Schulanfang ohne Umwege. Frankfurt/Main: Arbeitskreis Grundschule 2001
Hesse, Gabriele: Es geht! – Jahrgangsübergreifender
Unterricht von Klasse 1 bis 4. In: Grundschule, 35, 2003, 7–8, S. 4547
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Reinhard Stähling, geb. 1956, Dr. paed., Grundschullehrer;
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