Vorwort:
Das Team ist der Schlüssel zur Inklusion
Astrid Kaiser
Der Titel dieses Buches ist gleichzeitig Programm: Es gibt kein
Patentrezept für Inklusion. Inklusion verlangt immer wieder die
gemeinsame Lösung von komplexen Bildungsaufgaben. Das Team ist dabei der
Schlüssel, um Inklusion in die Tat umzusetzen, denn die Lösungen von
pädagogischen Anforderungen in heterogenen Lernsituationen müssen immer
wieder vor Ort und situativ gemeinsam im Team gefunden werden. Eine
Lehrperson allein kann es nicht schaffen. Und im inklusiven Unterricht
sollten auch mehrere Fachkräfte zusammen arbeiten, wenn Inklusion nicht
zur Farce degenerieren soll.
In diesem Buch des Erfolgsautorenpaares Stähling/Wenders wird die Arbeit
an deren Schule jetzt auf der Seite der Teamarbeit in den Klassen und
den Lernmöglichkeiten für Kinder beleuchtet. Es geht darum, wie die
verschiedenen pädagogischen Fachkräfte zum Wohle der Kinder zusammen
arbeiten können. Dabei steht die Sonnenblumen-Klasse exemplarisch im
Mittelpunkt, in der Kinder vom Etikett „geistig behindert“ bis „hoch
begabt“ zusammen lernen und voneinander lernen sollen.
In sehr klar beschriebenen Alltagssituationen wird deutlich, dass es
sich in diesem Buch nicht um Propaganda hehrer pädagogischer Ziele
handelt, sondern um gelebte pädagogische Realität. Diese ist so klar und
anschaulich beschrieben, dass jede Lehrperson merkt, dass so etwas auch
in der eigenen Schule möglich wäre. Aber es wird auch klar beschrieben,
wie die Absprachen im Team laufen müssen, wie die Mittagessenfrage
unter Einbezug der Kinder gelöst werden kann etc.
Gerade die Verbindung von praktischen Beispielen und theoretischer Reflexion macht eine besondere Stärke dieses Buches aus.
Es werden aber auch viele pädagogische Fragen kritisch-konstruktiv
diskutiert. Dabei werden einige Vorurteile zur Inklusion kritisch unter
die Lupe genommen. So wird gemeinhin angenommen, es müsse vor allem
individualisiert werden, damit Inklusion gelingt. Die Autoren vertreten
dagegen eher das Modell der sozialen Verantwortung. Besonders
beeindruckend ist die kritische Analyse von Individualisierung, die sie
mit Verweis auf Gaudigs Gruppenarbeitskonzept auch historisch fundieren.
Dieses Buch ist so vielschichtig wie die Inklusion. Es wird nicht
nur die Praxis an der Schule der beiden Autoren geschildert und
reflektiert, sondern letztlich auch ein lerntheoretisches Konzept
vorgestellt. Die eigenen Ansätze, die Kinder zum Lernen zu motivieren,
passen zu den in der empirischen Forschung beschriebenen Ansätzen wie
dem „aktiv sorgenden Engagement“. Allerdings sind die Beschreibungen im
Buch deutlich anschaulicher und authentischer als die bloßen Begriffe in
der Forschungsliteratur. Man könnte auch sagen, dieses Buch ist eine
Weiterführung und Konkretisierung der von Hattie und anderen
veröffentlichten lerntheoretischen Untersuchungen.
Dieses Buch ist sehr authentisch geschrieben.
Hier wird nicht wie in Schulinspektionsberichten nach großen
Floskeln und Selbstbeweihräucherung gesucht. Vielmehr wird aus der
Praxis berichtet und gleichzeitig reflektiert. Junge Lehrpersonen in der
Ausbildung können viele Erkenntnisse gewinnen, wie inklusives Lernen
gelingen kann, erfahrene Lehrerinnen und Lehrer können an den konkreten
Erfahrungsberichten sehen, dass sie selber nur noch wenige Schritte
weiter gehen müssen, um am Ziel einer inklusiven Schule anzukommen.
Besonders faszinierend ist das Buch durch die lebendigen
Beschreibungen der Kinder und das ehrliche Offenlegen von Gedanken der
Lehrpersonen. Neben der Anschaulichkeit wird aber auch die Reflexivität
der Lesenden angeregt.
Dies beginnt schon mit den Brecht-Zitaten am Anfang der Kapitel.
Hier wird bereits symbolisch das Nachdenken der Lesenden angeleitet, das
später durch die vielen Gedankenverbindungen im Text fortgesetzt wird.
Es ist erstaunlich, wie viele wichtige pädagogische Themen der
Inklusion in diesem Buch angeschnitten werden. Exemplarisch sei hier nur
die Frage der Notengebung herausgegriffen, die gerade für junge
Lehrpersonen eine besondere Hürde im inklusiven Unterricht darstellt.
Doch die Autoren wissen konstruktive Lösungsvorschläge und theoretische
Brücken zu bauen, wie die Argumentation mit den Kinderrechten zu den
Noten 5 und 6.
Dabei wird nicht von oben herab versucht, Lehrpersonen zu belehren,
sondern aus der Innensicht einer Schule – besonders in Kapitel IV –
dargestellt, welche bürokratischen, und politischen Steine Schulen auf
dem Weg zur Inklusion gelegt werden. Hier wird das Buch auch kämpferisch
gegen bildungspolitische Sparmodelle zu Lasten der Kinder und der
Kräfte der Lehrpersonen. Die häufig verwendeten Begriffe „Energie,
Herzblut und Widerstandskraft“ zeigen, dass es in den beschriebenen
reformpädagogischen historischen Modellen wie auch heute ganz wesentlich
auf die subjektive Kraft von Lehrpersonen ankommt.
Die größte Leistung dieses Buches ist es, dass neben der
ausführlichen Beschreibung und Reflexion des untrennbaren Zusammenhangs
von Teamarbeit und gelingender Inklusion auch noch eine lerntheoretische
Reflexion zum Lernen der Kinder erfolgt. Dazu wird auf viele aktuelle
Untersuchungen der Lehr-Lernforschung – insbesondere auf die
Hattie-Studie – Bezug genommen. Letztlich ist dieses Buch auch zu einer
praxisnahen Weiterfortführung der Erkenntnisse der Hattie-Studie
geworden.
Gerade die Beispiele aus der Praxis und die Verbindung zu kurzen
theoretischen Hintergründen sind sehr gelungen. So wird deutlich, was
machbar ist.
Eigentlich müsste dieses Buch die Bibel der Lehrerfortbildung für
Inklusion werden, denn die vielen Praxisanregungen sind für alle Schulen
wertvolle Hilfen, die sich mit immer stärker heterogenen Schülergruppen
auseinander setzen müssen. Aber auch für die Lehrerbildung ist die
klare Beleuchtung von Teamarbeit eine wichtige Basis dafür, Inklusion in
die Praxis umzusetzen.
In diesem Sinne wünsche ich dem Buch den Erfolg, den es verdient und
vielen Lehrerinnen und Lehrern das Erfahrungswissen der Autoren für
bessere Teamarbeit.
Rezension von Bruno Achermann, Nottwil/Luzern
27.12.2015
Die Zusammenarbeit der Beteiligten ist an inklusiven Schulen von zentraler Bedeutung. Der Schulleiter Reinhard Stähling und die Lehrerin und Sonderpädagogin Barbara Wenders sagen nicht, wie es sein müsste, sie stellen vielmehr in ihrem Praxisbuch überzeugend dar, wie an ihrer Schule Inklusion dank intensiver Teamarbeit gelingt.
Die Autoren des Buches berichten von einem jahrelangen Prozess, der
zu zunehmend festen Teams an der PrimuS-Schule Berg Fidel in Münster
geführt hat. – Darüber hinaus malen sie – wie schon in vorangehenden
Praxisbüchern (2006 und 2012) – lebendige Bilder, wie der Unterricht in
heterogenen Gruppen erfolgreich gestaltet werden kann.
Das Buch umfasst vier Teile: In einem ersten Teil beschreibt Stähling Voraussetzungen für einen guten Unterricht und inklusionsfördernde Strukturen. Im zweiten Teil berichtet Wenders aus der Praxis der Teamarbeit, sie beschreibt die Arbeit und die Rollen der Teammitglieder im Unterricht einer sehr heterogenen Klasse und stellt die Teammitglieder vor. Im dritten Teil wird ein origineller Werkzeugkoffer für den Unterricht in extrem heterogenen Gruppen geöffnet und im vierten Teil beschreibt der Schulleiter aus eigener Erfahrung, wie Innovationen behindert werden und wie Inklusion trotzdem gelingen kann.
Wie schon in früheren Praxisbüchern streuen B. Wenders und R. Stähling hervorragend ausgewählte Zitate des grossen polnischen Pädagogen Janusz Korczak und von Bert Brecht in den Text ein. Die Fotos von Donata Wenders erinnern an den Dokumentarfilm „Berg Fidel – Eine Schule für alle“ von Hella Wenders.
Ich nutze das Buch bei der Begleitung von inklusiven Schulen, die ihre Zusammenarbeit verbessern wollen. Teams mit denen ich arbeite sagen, dass auch dieses Buch von Stähling und Wenders gut lesbar, für ihre eigene Praxis hilfreich und für ihr pädagogisches Denken bereichernd sei.
Rezension von Detlef Träbert
Humane Schule
Zeitschrift des Bundesverbandes der Aktion Humane Schule e.V. (AHS)
42. Jahrgang – Mai 2016
Nach „Du gehörst zu uns“, „Ungehorsam im Schuldienst“ und „Das können
wir hier nicht leisten“ ist das „Team buch Inklusion“ der vierte Band,
der sein Entstehen der Grundschule Berg Fidel in Münster verdankt.
Oder verdankt diese Schule ihre Geschichte den genannten Büchern?
Reinhard Stähling und Barbara Wenders jedenfalls sind ein eingespieltes
Autorenteam und zeichnen die Entwicklungsgeschichte ihrer Schule
höchst anregend nach. „Dieses Buch haben wir besonders für Lehrerinnen
und Lehrer geschrieben, die sich stark machen für ihre Schüler und zu
jedem sagen können: ,Du gehörst zu uns'.“ (S.1)
In Teil I werden die grundlegenden Strukturen eines erfolgreichen
inklusiven Unterrichts beschrieben, bevor Teil II die praktische
Teamarbeit in einer stark heterogenen Klasse darstellt.
Teil III öffnet einen didaktischmethodischen Werkzeugkoffer für die
Arbeit in extrem heterogenen Klassen, bevor Teil IV schließlich
Innovationserfahrungen reflektiert. Jeder, der an seiner Schule konkrete
Schritte hin zur Inklusion vornehmen möchte, wird mit einschränkenden
Rahmenbedingungen konfrontiert werden und sollte bereits vorher Ideen im
Kopf haben, damit umzugehen. Darum zeigt dieser Teil die Entwicklung
anderer Schulbeispiele auf und schließt dabei mit der „Langformschule
1–13“ ab.
Wie die drei Vorgängerbücher auch ist das „Team buch Inklusion“
außerordentlich anregend geschrieben, voll mit nützlichen
Praxisvorschlägen und natürlich auch für jene Lehrkräfte,
Erzieher/-innen und sonstigen schulpädagogischen Fachkräfte nützlich,
die an Schulen arbeiten, deren Inklusionsentwicklung noch nicht wirklich
begonnen hat.
Reinhard Stähling / Barbara Wenders (2015):
Teambuch Inklusion –
Ein Praxisbuch für multiprofessionelle Teams
Mit Fotos von Donata Wenders,
Baltmannsweiler (Schneider Verlag Hohengeren,
Basiswissen Grundschule Bd. 33) 2015, 230 S., ISBN 978-3834015310, € 19,80
