Bezahlt wird nicht

„Bezahlt wird nicht“,
sagen die Käufer im Supermarkt.
Und ein Bürgerkrieg beginnt:
Frauen und Männer im Kampf um Gerechtigkeit.

Eine bittere Groteske. Kein Theater der leisen Töne, sondern turbulentes und clowneskes Volkstheater. Ein saftiges Theatervergnügen!
Die aktuelle Inszenierung des bekannten Stücks aus dem Jahr 1974 versetzt die Handlung in eine Welt der Clowns. Damit bezieht sie sich auf dieselben Wurzeln, die der Italiener Dario Fo für sein Theaterschaffen proklamiert hat:
„Die Macht und zwar jede Macht fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott. Sie sind Anzeichen für kritischen Sinn, Phantasie, Intelligenz und das Gegenteil von Fanatismus. Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, Hamlet zu spielen, sondern mit der Absicht, ein Clown zu sein, ein Hanswurst.” (Aus Fos Rede, anlässlich der Verleihung des Nobelpreises für Literatur in Stockholm.)

Zum Autor
Fo ist der „talentierteste Politclown Europas“ (FAZ)
„Erzschelm, politischer Agitator und Theaterhistoriker“ (Wiener Zeitung, 2.11.1997)
„Dramatiker des Volkes“ (Literaturkritiker Björn Linnell, Schweden)
„Der Nobelpreis für Literatur wird dem Italiener Dario Fo zuerkannt, der in der Tradition mittelalterlicher Gaukler die Macht tadelt und die Würde der Erniedrigten wiederherstellt. Fo wird seit langem auf der gesamten Welt aufgeführt und ist vielleicht der am häufigsten gespielte Dramatiker der Gegenwart; sein Einfluss ist groß.“ (Würdigung Fos durch die Schwedische Akademie, 1997)


WN 19. Februar 2002

Die Clowns wollen nicht bezahlen

Theater in der Kreide inszenierte Dario-Fo-Farce
Die Carabieneri kommen – für Guivanni (Armin Käthner) und Luigi (Gregor Jansen) wird es eng. Aber selbst ein Guivanni hat mal einen Geistesblitz …

Das Theater in der Kreide beginnt das Stück schon vor dem Stück: Ein Marktverkäufer bietet im Café des Kreativhauses lauthals seine Waren an – allerdings zu mehr als unverschämten Preisen. Das ist nicht nur der inflationsgebeutelten Hausfrau Antonia (Heike Janzen) zu viel. Vereint greift die verzweifelte Kundschaft zur Selbsthilfe: „Bezahlt wird nicht!“
Antonia flüchtet mitsamt dem Publikum auf die Theaterbühne, doch an den günstig „eingeklauften“ Waren hat sie wenig Freude. Ehemann Giovanni nämlich ist „vielleicht doof, aber doch nicht blöd“ – und hat trotz seiner roten Socken für „subversive Elemente“ wenig übrig.

So muss Antonia ihre widerstrebende Freundin Margherita (Petra Schulte) a und das Publikum zu Komplizen machen, und es beginnt ein groteskes Versteckspiel. Denn auch Giovanni und sein Freund Luigi haben etwas zu verbergen, und „in diesem Stück ist alles möglich“, sogar die wundersame Wandlung des prinzipientreuen Giovanni.

Die sozialkritische Farce „Bezahlt wird nicht!“ von Dario Fo entstand 1974 und hatte im kriseneschüttelten Italien dieser Zeit einen ernsten Hintergrund. Die Inszenierung von Reinhard Stähling löste das Problem der heute hemmungslos überzogen wirkenden, derb-komischen Geschichte um Proletarier und Großkapitalisten durch die Versetz der Handlung in die Welt der Clowns. Die roten Pappnasen und die durch Schminke grotesk verzerrte Mimik signalisierten Fos Ansatz, als Politclown über Spott und Lachen die Macht herauszufordern und die Würde der Unterdrückten wiederherzustellen.

Darüber hinaus konnten die Schauspieler vom „Theater in der Kreide“ ihr komödiantisches Talent voll ausleben – allen voran Thomas Brieden, der sich gleich in fünf Rollen wohlfühlte und als verschrobener Leichenbestatter vor ausverkauftem Haus für ein besonderes Highlight sorgte.
Die nächste Aufführung ist am 6. März um 20 Uhr im Kreativhaus, Kartentelefon: 369 97.
Marie Vigener


Provokateure, Trottel und Erkenntnisse

„Theater in der Kreide“ siedelte im Kreativ-Haus Dario Fo-Farce in der Welt der Clowns

Münster • Die Lebensmittelpreise sind gestiegen, die Miete ist schon seit vier Monaten überfällig und zu allem Überfluss wurde nun auch das Gas und der Strom abgestellt. Grund genug, um an dem Ernst der Lage zu verzweifeln. Doch die Hausfrau Antonia greift stattdessen zu eigenwilligen Maßnahmen und richtet damit ein flächendeckendes Chaosan.

In dem Stück „Bezahlt wird nicht“, das am Samstag im Kreativhaus Premiere feierte, setzte das „Theater in der Kreide“ und sein Regisseur Reinhard Stähling auf viel Turbulenz, Scharfsinn und Witz. Anlässlich des 75. Geburtstages von dem italienischen Regisseur Dario Fo wurde die bekannte Farce in die Welt der Clowns versetzt.

Giovanni (Ärmin Käthner) von seiner Frau als Jinker Säulenheiliger“ beschimpft, ist stolz auf seine ehrlich arbeitende Arbeiterklasse und will mit dem streikenden Lumpenproletariat und den Extremil sten nichts zu tun haben. Seine Frau Antonia (Heike Janzen) jedoch hat sich an den Massenplünderungen in den Supermärkten beteiligt.

Und hier nimmt das Chaos seinen Lauf. Um die geklauten Lebensmittel zu verstecken, muss ihre männergeile Freundin Margherita (Petra Schulte) eine Schwangerschaft vortäuschen.

Zwischen Hausdurchsuchungen, Wehen und Ehekrisen gerät Giovannis Welt immer mehr ins Wanken: Jetzt entpuppt sich sogar der Wachtmeister mit seinen kritischen Tönen zum „Provokateur“. Und als Margherita Essigsoße und Oliven statt Fruchtwasser verliert, dämmert es Giovanni. Doch er ist immer noch stolz, „ein ehrlicher Trottel inmitten einer Welt von Gaunern zu sein“. Mit dem Auftritt Luigis (Gregor Jansen), Margheritas Ehemann, fehlt plötzlich die Clownsnase, er hat das „Leben in Scheiße“ erkannt und berichtet Giovanni von der Schließung seiner Firma. Als Glovanni erfährt, dass die Lebensmittel ins Ausland geliefert werden, um die Preise künstlich hochzuhalten, gibt er seine kleinbürgerlichen Vorstellungen endgültig auf. Heimlich hat sich der Politclown eingeschlichen, die Verzweiflung und die Revolution sind zum Greifen nahe. Doch selbst als sie die Wohnung räumen müssen, hält Giovanni noch ein ergreifendes Schlussplädoyer für ein menschenwürdigeres Leben.
Mit großartiger schauspielerischer Leistung wurde hier Theater gespielt. „Zwar schmutzig, aber hier wurde echtes Theater gespielt“, meinte Giovanni. Und hier soll er Recht behalten. Die Gruppe hat erkannt, dass die Macht nichts so sehr fürchtet wie das Lachen, das ironische Zersetzen, das Lächeln und den Spott. MMM


MZ Steinfurt 17. April 2002

Alles ist möglich

„Bezahlt wird nicht!“ Theater in der Kreide spielte Farce von Dario Fo
„Bezahlt wird nicht!“ Streng an das Motto des gleichnamigen Schauspiels von Dario Fo hielt sich am Montagabend das fünfköpfige Ensemble „Theater in der Kreide“ in der Aula des Arnoldinums. Keine leichte Kost für das Publikum, das sich mit den politischen Gegebenheiten im Italien des Jahres 1974 auseinander zu setzen hatte.

BURGSTEINFURT • „Uns hat die Wirklichkeit nicht nur kopiert, sondern erheblich überholt.“ So äußerte sich der große Mann des politischen Theaters, Dario Fo, in einer Rückbetrachtung zu seinem Stück „Bezahlt wird nicht!“ Sein in Italien 1974 erstmals aufgeführtes Werk gab am Montagabend das „Theater in der Kreide“ aus Münster in der Aula des Arnoldinums zum Besten. Keine leichte Kost, die die fünf ambitionierten Hobby-Schauspieler unter der Regie von Dr. Reinhard Stähling darboten.

Denn: Wie bringt man ein Stück, das mehr als ein Vierteljahrhundert Sozialpatina angesetzt hat, in die heutige Zeit? Gelöst wurde das Problem, indem man die einstige Polit-Fiktion in Clown-Kostümen spielte, untermalt von Volksmusik aus Persien. Eine Wanderung auf schmalem Grat war’s: War das nun ein ernstes Thema, lustig inszeniert – oder ein Lustspiel mit ernstem Hintergrund?

Lamento
Noch während die letzten „bourgeoisen“ Nachzügler im Foyer ihren Begrüßungssekt schlurfen und sich ihrer Jacken und Mäntel entledigen, lamentiert „die Masse“ über unverschämt überzogene Preise.
Da kam der Euro gerade recht. „Heute ist alles umsonst. Bezahlt wird nicht!“ sagt eine einen Supermarkt stürmende Horde Frauen ob maßlos gestiegener Lebensmittelpreise, darunter die leicht überdrehte Antonia (Heike Janzen). Und lässt im Foyer schon diejenigen den Einstieg ins Geschehen verpassen, die – „was ist denn da hinten los, das ist aber zu leise“ – sich noch im Gespräch mit Bekannten befinden. 

Hinein geht’s in die Aula. Wo das Stück auf der Bühne und inmitten des mit einbezogenen Publikums seine Fortsetzung findet. Das spartanische Bühnenbild fordert dazu auf, sich voll und ganz auf das gesprochene Wort und die Schauspieler zu konzentrieren.

Lustige Possen mit ernstem Hintergrund zeigten Antonia (Heike Janzen) und Glovann! (Armin Käthner)


„Die Werke des Literaturnobelpreisträgers werden in Deutschland häufig so gekürzt, dass nur einige hübsche Possen übrig blieben“, ärgerte sich Regisseur Dr. Reinhard Stähling. In Havixbeck gab es folglich den ganzen Fo zu sehen, der auch als „Dramatiker des Volkes“ und „talentiertester Politclown Europas“ gefeiert wird.

Über unverhältnismäßig gestiegene Preise im Supermarkt, schlechtes Kantinenessen im Betrieb und die verteuerte Monatskarte für die Bahn ärgern sich die Clowns Antonia (Heike janzen), Giovanni (Armin Käthner), Margherita (Petra Schulte) und Luigi (Gregor Jansen).

Eine Wirtschaftskrise plagt die kleinen Leute. Doch die denken nicht länger daran, dem Appell des Ministerpräsidenten zu folgen. Der bittet seine Bürger um Geduld, Vernunft und Vertrauen.

Statt dessen stürmen die Hausfrauen des Ortes den Süpermarkt und bezahlen einfach nur die Preise, die sie für gerechtfertigt halten. Mit dabei auch Antonia und Margherita, die kaum Geld für Miete und Stromrechnung haben. Wie erklären sie da bloß dem scheinbar gesetzestreuen Giovanni, woher all die Lebensmittel stammen?

Am besten gar nicht, beschließen die Frauen und verstecken Reis, Nudeln und Oliven teils im Publikum, teils unter der Bluse von Margherita. Schwanger sei ilire Freundin, behauptete Antonia. Natürlich ergeben sich daraus einige groteske Verwicklungen, zum Beispiel wenn der studierte Wachtmeister (Thomas Brieden) über die Staatsmacht schimpft. Und immer wieder sind die Zuschauer mittendrin. So versorgt Giovanni die Besucher mit Vogelfutter: „Der ein oder andere kommt doch nur ins Theater, weil er weiß, hier gibt’s was Gutes auf die Gabel.“ Laut und lustig gebärdeten sich die Clowns auf der Bühne – und sinnierten dennoch nachdenklich über vordergründig skurrile Themen wie die allzu erotische Werbung für Fleischkonserven.


WN Lüdinghausen 15. April 2002

Possenspiel um Politik

Theater in der Kreide“ spielte „Bezahlt wird nicht”

KULTUR IN LÜDINGHAUSEN

Die Zuschauer staunten nicht schlecht, als sie am Samstagabend in die Burg Lüdinghausen kamen. Eigentlich blieb noch etwas Zeit, bis sie ihre Eintrittskarten einlösen konnten und das Stück „Bezahlt wird nicht“ beginnen sollte. Doch da pries ein wortgewandter Verkäufer den ahnungslosen Besuchern Waren von Pizza bis Gemüsebrühe an, während sich Clowns unter die Zuschauermenge im Vorraum des Kapitelsaals mischten – und plötzlich den improvisierten Supermarkt des Verkäufers plünderten. Und ehe sich die Theaterbesucher versahen, befanden sie sich schon mitten in der Farce des italienischen Nobelpreisträgers Dario Fo, das das Münsteraner „Theater in der Kreide“ (TiK) auf Einladung des Lüdinghauser Kulturforums KAKTuS präsentierte. 

Was war zu Beginn passiert? Der „Supermarkt“ war aus Protest gegen die horrenden Preise gestürmt worden. Unter den Plünderern ist auch Hausfrau Antonia, die nach dem Motto „Bezahlt wird nichts“ prall gefüllte Einkaufstüten nach Hause schleppt und gleich ihrer Freundin Margherita von den „billig eingekauften“ Sachen berichtet. Das Problem: Ehemann Giovanni, der nach Ansicht von Antonia einen „Gesetzesfimmel“ hat, hält nichts von Aufständen gegen die Regierung, und obendrein durchsucht die Polizei noch sämtliche Häuser nach der Beute. 

Wohin mit den Lebensmitteln also, fragt sich Antonia und deponiert sie kurzerhand unter Margheritas Mantel, die von nun an ohne Wissen ihres Mannes Luigi mindestens im fünften Monat schwanger ist. Die Turbulenzen nehmen ihren Lauf und steigern sich fast in einen Bürgerkrieg – sehr zum Vergnügen des Publikums, das sich köstlich über die derben Späße und die Mimik der Darsteller amüsierte.   Mit der Ankündigung, das Publikum von Beginn an in die spritzige Handlung mit einzubeziehen, hatten die fünf Darsteller unter der Regie von Dr. Reinhard Stähling wirklich nicht zu viel versprochen. Und das kam bestens an: Sofort war die Atmosphäre entspannt und humorvoll, was sich auch im weiteren Verlauf der temporeichen Komödie fortsetzte. 

Nicht nur, dass Regisseur Stähling die Handlung der Farce in die Welt der Clowns versetzt hatte und die Schauspieler somit allein durch ihre geschminkten Gesichter und roten Nasen die groteske Komik des Schauspiels betonten. Natürlich lag der Erfolg der Inszenierung auch in der Natur des Stückes, in dem Dario Fo, der „talentierteste Politclown Europas“ (FAZ), Possen und Spott mit Politkritik und Provokation gemischt hat.

Besonders Giovanni (Armin Käthner), der scheinbar so gesetzestreue Arbeiter, hatte die Lacher auf seiner Seite. Doch auch Antonia (Heike janzen), Margherita (Petra Schulte), Luigi (Gregor jansen) sowie Thomas Brieden in mehreren Rollen standen ihm an Spielfreude und Witz in nichts nach. Immer wieder aufgelockert wurde die Inszienierung durch die Beteiligung des Publikums, das nicht nur die geklauten Waren verstecken musste, sondern auch von der köstlichen Hirse für Kanarienvögel, die verdächtig nach Schokoladenkugeln aussah, kosten durfte. Keine Frage: das „Theater in der Kreide“ hatte Dario Fo beim Wort genommen, der nicht mit der Idee zum Theater gegangen sei, „Hamlet zu spielen, sondern mit der Absicht, ein Clown zu sein, ein Hans-Wurst“. -vn

Schon beirn Eintritt in die Burg Lüdinghausen wurde das Publikum in die Handlung einbezogen. Fotos: -vn 

Die Maskerade der Clowns verstärkte die groteske Komik des Schauspiels.