Die Dreigroschenoper

TiK-Theater präsentiert turbulente Nudelbrettinszenierung des berühmten Werkes

„Die Dreigroschenoper“ als Comedia-Spektakel

Wenn eine Horde Ungebändigter das pralle Leben in seiner bunten Vielfalt geballt komisch auf die Bühne bringt und dabei lauthals vor und im Publikum agiert, singt und tönt, erinnert das an Zirkus oder ein Theaterstück aus der comedia del arte. Doch was hier so turbulent daher kommt, ist weder das eine noch das andere, sondern eine hemmungslos gegen den Strich gebürstete Inszenierung der Dreigroschenoper, mit der sich das Theater in der Kreide (TiK) im Rahmen einer Münsterlandtournee zum ersten Mal in Ahlen die Ehre geben wird.
Wer gewöhnlich an das 1928 entstandene Musikwerk von Bertolt Brecht denkt, denkt automatisch an den Haifisch-Song – also die „Moritat von Mackie Messer“ und den darin besungenen gleichnamigen Verbrecherkönig Londons, der im Gewand eines feinen Gentleman mit weißen Handschuhen und einer ebensolchen Weste Blut vergießen lässt, um skrupellos Beute zu machen.

In den Augen vieler Theaterkonsumenten sind es vor allem die von Kurt Weill vertonten Lieder, die „Die Dreigroschenoper“ prägen und deren großen Erfolg ausmachen. Möglicherweise ist es aber auch gerade auf diese zu Ohrwürmern mutierten Songs zurückzuführen, dass aller darin enthaltenen Anrüchigkeit zum Trotz die von Brecht beabsichtigte Verspottung des Bürgertums zuweilen unterging. Auch Inszenierungen im Stile bürgerlich gesäuberter Musicals mit eben allzu klischeehafter Bühnen- und Kostümausstattung trugen dazu bei, die sozialkritischen Elemente zu übertünchen und die vom Autor anvisierte Zielgruppe allenfalls leicht zu unterhalten.

Auch aus diesem Grund bedient sich TiK-Regisseur Dr. Reinhard Stähling in seiner Produktion einmal mehr der Welt der Clowns. Mit einer gewitzten Nudelbrettinszenierung, in der Gewalt und Komik krass gegensätzlich aufeinander treffen, werden so die politischen Ambitionen Brechts ohne überzogene Werktreue unangestrengt freigelegt und bleiben dadurch voll erhalten. Brecht-Experte Stähling greift insofern auf ein bewährtes Erfolgsrezept zurück, mit dem er und sein Ensemble in der Vergangenheit Zuschauer begeisterten und Kritiker aufhorchen ließen.

Denn egal ob Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ (1999) bzw. „Der kaukasiche Kreidekreis“ (2000) oder zuletzt Dario Fo’s „Bezahlt wird nicht“ (2002) – immer waren es Klassiker, die, eigenwillig und spektakulär inszeniert, fast an Monty Python oder eben Clownstheater erinnerten und allesamt gefeiert wurden. Als Garanten für die musikalische Qualität stehen dem TiK-Regisseur mit dem bekannten Musiker Jürgen Janotta (ehemals „Sechszylinder“) und dem Leiter der Musikschule Lüdinghausen, Dr. Hans Wolfgang Schneider, zwei erstklassige und routinierte Profis zur Seite. Sowohl für Kenner, denen sich eine reizende Vergleichsmöglichkeit bietet, als auch für diejenigen, die das berühmte Werk erstmals zu sehen bekommen, dürfte diese TiK-Produktion zu einem unvergesslichen Erlebnis werden: Derbe Späße, deftige Komik und viel Turbulenz, umrahmt von stimmigen Musikinterpretationen, versprechen einen einmaligen Kunst- und Kulturgenuss.

Mitwirkende Personen und ihre DarstellerMusikGesamtleitung und Regie
Macheath, genannt Mackie MesserArmin KäthnerMichael PreiserDr. Reinhard Stähling
Jonathan Jeremiah Peachum, Besitzer der Fa. „Bettlers Freund“Matthias WeberKarl-Heinz Stiebler 
Celia Peachum, seine FrauChrista TheißenGereon Voss 
Polly Peachum, seine TochterLisa KlimaschefskiManfred Wex 
Brown, oberster Polizeichef von LondonSebastian DrießenMari-Luz Rodrigues Startz 
Lucy, seine TochterCeren TürkmenAnja Bareither 
Spelunken-JennyMerrie HinricherStefan Schulze 
Bettler, Gefängnisaufseher, Huren, Pastor, Polizisten, VerbrecherNorbert Kauschitz und EnsembleJürgen Janotta 

Für die Inszenierung der Dreigroschoenper hat sich dem TiK mit Jürgen Janott (ehemals „Sechszylinder“) ein namhafter, hochklassiger Berufsmusiker angeschlossen. Jürgen Janotta unterstützt die Sänger während des Probejahrs. Michael Preiser am Klavier war zuletzt an Théâtre National de Luxemburg engagiert.

Lisa Klimaschefski, die im Chansonbereich schon längst nicht mehr nur als Geheimtip gilt, spielt und singt die Polly. Mackie Messer wird gepielt von Armin Käthne, der als Matti im „Puntila“, als Azdak im „Kaukasischen Kreidekreis“ und als Guivanni in „Bezahlt wird nicht“ ein begeistertes Publikum fand!


Theaterkritiken

MZ 12. Mai 2003

Mackie Messer im Stroh

Dreigroschenoper auf Westfälisch: Das TiK-Ensemble präsentierte im Kreativ-Haus eine sehr freie Adaption des berühmten Brecht/Weill-Klassikers. MZ-Foto: Belke

Münster – Wie ist einem Klassiker etwas Neues abzugewinnen? Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ hat seit der Berliner Uraufführung 1928 unzählige Auslegungen erfahren. Doch weniger die Handlung als vielmehr die Hits des Komponisten Kurt Weill haben das Werk unsterblich gemacht. Mit einer Inszenierung, die alles zuvor Gesehene gründlich auf den Kopf stellt, hat sich nun die münstersche Schaupielgruppe „Theater in der Kreide“ des Stoffes angenommen. Unter der Leitung von Reinhard Stähling präsentierte die Laientruppe auf der Theaterbühne im Kreativ-Haus eine sehr freie Adaption, die munter Elemente aus Volkstheater, Comedy und 1001 Nacht verquirlte – wenn auch nicht immer mit dem nötigen Pep.

Nicht im London der Gründerzeit, sondern auf einer westfälischen Tenne spielt diesmal die Geschichte von Verbrechern, Bettlern und Lebedamen. Dazu wurde die gesamte Bühne mit großen Strohballen ausgelegt, die als mal als Bandenversteck, mal als Gefängnis dienen.

Die sieben Musiker des von Bläsern dominierten Orchesters sind zwar an den äußersten Rand der kleinen Bühne verbannt, wissen jedoch mit farbenreicher Interpretation der eingängigen Nummern zu überzeugen. Armin Käthner gibt den Mörder und Frauenverführer Mackie Messer als dauergrinsenden Bauern, der im Ruhrpott-Slang oft Zoten zum Besten gibt. Umgeben ist der hanswurstige Gauner von einer lustigen Hippiebande, die wie orientalische Seeräuber anmuten. Als Geliebte Polly steht dem Oberschurken Lisa Klimaschewski hingebungsvoll zur Seite. Mit dem Lied von der Verheiratung gelingt ihr einer der schönsten Songs des Abends. Wahre Glanzpunkte verleiht der Aufführung auch Matthias Weber in der Rolle des divenhaften Bettlerkönigs Jonathan Jeremiah Peachum. Jeder der acht Darsteller ist in mehreren Rollen zu sehen. Insgesamt zeugt die über dreistündige Inszenierung vom hohen persönlichen Einsatz des Ensembles und großer Spielfreude. – Markus Weckesser


MZ 20. Mai 2003

Es geht auch anders – aber so geht es auch

„Theater in der Kreide“ (TiK) mit Brechts „Dreigroschenoper“ im Arnoldinum

Was bitte, bedeuten drei Groschen im Zeitalter des Euro? Gibt der junge Zuschauer Artur, der einem der Pseudo-Versehrten aus Peachums (Matthias Weber) Bettlergarde fünf Cent zusteckt, nun einen ganzen oder einen halben Groschen? Egal. Der junge Franzose, der sogar in der Pause vom „Theater in der Kreide“ interaktiv ins Geschehen eingebaut wird, spielt jedenfalls wunderbar mit. Auch von solchen Aktionen lebt die Dreigroschenoper, die Regisseur Dr. Reinhard Stähling mit seiner achtköpfigen Truppe im Kreativhaus inszeniert.

Du lügst!“ Dreiecksbeziehungsdrama zwischen Polly (Lisa Klimaschewski), Mackie (Armin Käthner) und Spelunken-Jenny (Ceren Türkmen, v.I.). Foto: -abe

Dem Londoner Gangster Mackie Messer (Armin Käthner) kurzerhand das Charakterkorsett eines waschechten Westfalen des verruchten Verbrecherstadtteils Soho in die westfälische Heimat. Gewagt, zumal sich die Mentalitäten nicht unbedingt entsprechen und die typischen Eigenschaften grober Westfalen auch nicht konsequent durchgehalten werden. So hat der Zuschauer Mühe, mit den einzelnen Charakteren warm zu werden. Viele Schauspieler decken drei bis fünf Rollen ab; einzelne Typen wie Mackie Messer, Jonathan Peachum, seine Tochter Polly (Lisa Klimaschewski) oder Spelunken Jenny (Ceren Türkmen) stechen trotzdem hervor.

Ein pfiffiger Charakterkopf ist auch Norbert Kauschitz, der den Ansager macht und immer wieder Ausflüge ins verblüffte Publikum startet. Zwischendurch geben die Akteure, unterstützt durch spielfreudige, kreative Musikanten, eine Vielzahl der Kurt-Weill-Songs, wie etwa die „sexuelle Hörigkeit“. Großartig auch die Tanzszene oder der weibliche Wettstreit um Mackie. Dagegen lasse (zu) viele Details bisweilen ausufernde Monologe und Lieder die rund dreistündige Aufführung zu langatmig werden. Da rückt de Kern der Dreigroschenoper schon mal aus den Blickfeld. Andrea Bergmann


Ahlener Tageblatt (Die Glocke) 25. Mai 2003

Aufführung der „Dreigroschenoper“ mit wenig Glanzlichtern

Jenseits von allem Kulinarischen, aber ohne Intention

Ahlen (at). Als im August 1928 die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ stattgefunden hatte, war „Brechts Factory“ froh, das Werk fertiggestellt zu haben. Denn man stand unter beträchtlichern Zeitdruck. Obwohl Brecht als Hauptverlasser gilt und dementsprechend den Löwenanteil der Tantiemen einstrich, wird im Manuskript bereits die Mitarbeit von Elisabeth Hauptmann und natürlich Kurt Weill vermerkt. Allerdings gab es außerdem eine Reihe weiterer Anreger, u. a. Camla Neher, Anrtolt Bronnen und Helene Weigel. Den Titel des Stückes steuerte Lion Feuchtwanger bei. Die Initialzündung jedoch ging unzweifelhaft von Elisabeth Hauptmann aus. Sie stieß auf John Gays „Me Beggar’s Opera“, übersetzte die Vorlage und erwärmte mit einiger Mühe Brecht für den Stoff. Mit dem Satz „Die Dreigroschenoper ist ein Versuch im epischen Theater“ distanziert sich Brecht vom herkömmlichen Theater, das er „dramatisch“ nennt. Auch von solchen Aktionen lebt die Dreigroschenoper, die Regisseur Dr. Reinhard Stähling mit seiner achtköpfigen Truppe im Kreativhaus inszeniert.

Trotz mancher herber Kritik wurde „Dreigroschenoper“ beim Publikum zu einem Weiterfolg. Das machte Brecht nachdenklich, so dass er 1939 feststellte: „Der Charakter dieses Stückes ist zwiespältig, Belehrung und Unterhaltung stehen auf einem Kriegsfuß miteinander“. Das von ihm verpönte „Kulinarische“ behielt jedoch die Oberhand.

Am Donnerstagabend bot die Kulturgesellschaft in ihrer Abo-Reihe Quintett erneut die Gelegenheit, sich mit dem Stück auseinanderzusetzen oder es zu „genießen“. Man hatte das „Theater in der Kreide“ aus Münster verpflichtet, das mit dem Anspruch gekommen war, die wahren Intentionen Brechts jenseits von allem Kulinarischen, aber doch mit „Spaß“ aufzudecken. Das begann bereits vor der Aufführung im Foyer, wo Mackie Messer, ein Mitglied seiner Gang, und Polly herumtobten und teils mit zotigen Späßchen die wartenden Zuschauer unterhielten. Anders als üblich – sicherlich. Doch zur Erhellung der Intentionen Brechts trug das nichts bei. Er meinte: „Die Vorliebe, des Bürgertuns für Räuber erklärt sich aus dem Irrtum: Ein Räuber ist kein Bürger. Dieser Irrtum hat als Vater einen anderen Irrtum: Ein Bürger sei kein Räuber.“ In einem Gespräch mit dem berühmten italienischen Regisseur Giorgio Strehler lautete es etwas anders: „Räuber sind Bürger – sind Bürger Räuber?“ Dieser Ansatz, Räuber – Bürger, leitete offensichtlich die Interpretation des Regisseurs Reinhard Stähling. Er ließ seine Schauspieler einzelne Zuschauer begrüßen, ansprechen und duzen, im Zuschauerraum befanden sich Akteure – man bewegte sich sozusagen unter Gleichen – Zuschauer wurden zur Mitarbeit auf der Bühne aufgefordert, Macheath ironisierte das Bildungsbürgertum und redete das Publikum als Mitbürger an. Es ging um die Identität der Dargestellten mit dem Publikum. Allerdings wurde das nicht konsequent durchgehalten. Denn dadurch, dass der parodistische Schluss Brechts weggelassen und Macheath zur Hinrichtung weggeführt wurde, entstand der Eindruck, dass sich alle Schuld auf Erden rächt, was wohl nicht im Sinne Brechts ist. Er setzte ja auf die Veränderung der Verhältnisse im „Raubtierkapitalismus“. (…) – W.A


MZ 20. Mai 2003

Mackie Messer als waschechter Westfale

Reinhard Stähling inszeniert Brechts Dreigroschenoper

Steinfurt · Um wen es sich bei „Mackie Messer“ handelt, wissen wir spätestens, seit es die „Moritat“ in einer Version von Marius Müller-Westernhagen gibt.

Spärlich besetzt
War das der Grund, warum das „Theater in der Kreide“ am Samstag nur vor spärlich besetzten Zuschauerrängen im Arnoldinum spielte? „Wir wollen heute einfach mal ein bissken Spaß haben. So schlimm ist das nicht mit der Kultur.“ Armin Käthner stimmte das Publikum im Foyer auf das Kommende ein.

„Hereinspaziert, wir feiern Hochzeit.“ Armin Käthner als „Mackie Messer“ hieß das Publikum eingangs der Darbietung im Foyer willkommen. Foto: CRB

Und gab dem Verbrecher „Macheath“, genannt Mackie Messer, mit seinem Spiel die würzige Note eines lendengesteuerten, westfälischen Lachsacks. (…) spielte das Ensemble das Stück frech und rotzig und kehrte die Verbindung von Sexualität und Ökonomie, die dem Stück zugrunde liegt, gut hervor. Auch wenn das „westfälische“ Bühnenbild (minimalistisch mit Strohballen) das Gespielte teilweise in einen Bauernschwank verwandelte. (…) spielte das Ensemble das Stück frech und rotzig und kehrte die Verbindung von Sexualität und Ökonomie, die dem Stück zugrunde liegt, gut hervor.

Charaktere
 „Spezialität“ der Akteure des TiK ist es, das Publikum in die Aufführung mit einzubeziehen. (…) die Truppe schaffte es, den Charakteren aus Geschäfts- und Unterwelt, Bürgertum und Rotlicht-Milieu, Gosse und Gefängnis Leben einzuhauchen.

Umstände
Denn das ist es, was die „Dreigroschenoper“ auch heute noch, 75 Jahre nach ihrer Uraufführung, so beliebt macht: Ob der Verbrecher als Verbrecher behandelt wird, das hängt von vielerlei Umständen ab. Gute Eigenschaften sind schädlich. „Beneidenswert, wer frei davon.“ Was bleibt von der „TiK-Aufführung“ im Arnoldinum? Ein zwiespältiges Gefühl. Um bei Brecht zu bleiben: „Es geht auch anders – aber so geht es auch.“
– Christian Bödding



Verwundert entsetzt und begeistert

Mackie Messer und Polly Peachum vor der Hochzeit

Greven. So wie Berthold Brechts Werke polarisieren, so entzweite auch die Inszenierung der Dreigroschenoper des „Theaters in der Kreide“ am Samstagabend im Ballenlager das Grevener Publikum. Verhaltener Beifall für das dreistündige Stück, obwohl Brechts Lehrformel vom epischen Theater und der Verfremdung hervorragend umgesetzt wurde. Ein schlichtes, nüchternes Bühnenbild mit frischen Strohballen ausgelegt das den Fokus des Zuschauers auf die Handlung bannte und keine aus Brechts Sicht überflüssigen Gedankenspiele zuließ, förderte die Erwartungshaltung.
Außergewöhnlich war auch der Beginn der Oper. Im Foyer begrüßte die Gäste ein Feuerspucker und die von Brecht in jeder Szene vorgeschaltete Ansagerfunktion fand im Vorraum des Ballenlagers statt. Auch in diesem Bereich verdient der Regisseur Dr. Reinhard Stähling ein Lob für das konsequente Beibehalten des Ansagers und der sehr guten Einbindung der Musik von Kurt Weill. „Denn der Haifisch mit den Zähnen“ gehört zur Dreigroschenoper, wie Captain Mackie Messer nach Soho.

Tiger Brown genießt die Gesellschaft der beiden Prostituierten.
Fotos: row

Doch das Publikum war irritiert von all der Clownerie und Comedy, die um und in die Handlung der Heirat des Verbrecherkönigs Mackie Messer und der jungen, wohlbehüteten Polly Peachum unweigerlich und bewusst mit einfloss. Dazu kam die ungünstige Positionierung der Musikanten, die vor allem Lisa Klimaschewski als Polly Peachum oft übertönten und die Songs mit wichtigen Vorausdeutungen und Inhalten zur Kritik am bürgerlichen Leben und der engen Moralvorstellung für einen Teil des Publikums unverständlich machten. Doch die wenigen Besucher, von denen leider schon einige nach der viertelstündigen Pause gingen, dürfen nicht der schauspielerischen Leistung oder der eigenwilligen Inszenierung angehaftet werden.
Unglückliche Faktoren, wie das warme Sommerwetter lockten nur wenige Grevener von ihrer Terrasse in das Ballenlager. Die, die kamen, waren verwundert, entsetzt aber auch begeistert. Denn auch Brecht ging mit seinem epischen Theater neue Wege in der Dramentheorie und wurde harsch dafür kritisiert. Doch am Ende bleibt es jedem Besucher frei den Abend zu bewerten, denn Brecht und Stähling polarisieren eben.
– Robert Weber


MZ 2. Juni 2003

Mackie Messer im Ballenlager
Dreigroschenoper bei der Kulturinitiative

Mackie Messer (r.) nimmt Tuchfühlung zu seinem Jugendfreund Tiger Brown auf, der Polizist geworden ist. GZ-Foto: nin

Greven • Rund 80 Zuschauer, sind am, Samstagabend ins Ballenlager gekommen, um sich die „Dreigroschenoper“ anzusehen. Seitens des Veranstalters, der Kulturinitiative (KI) Greven, hatte man zwar mit mehr Leuten gerechnet, doch die Schauspielergruppe „Theater in der Kreide“ hätte auch vor zehn Zuschauern gespielt, so Regisseur Dr. Reinhard Stähling.

Das „Theater in der Kreide“ ist ein Ensemble der freien Theaterszene in Münster. In Greven waren sie zuvor noch nicht aufgetreten. Regisseur Dr. Reinhard Stähling hat sich auf Stücke von Bertolt Brecht spezialisiert. Dabei inszeniert er den historischen Stoff der Dreigroschenoper modern und auch komödiantische Anteile kommen in seinem Stück nicht zu kurz.

Die Geschichte dreht sich um Mackie Messer (Armin Käthner), einen Bettler und Betrüger in Soho, einem Stadtteil Londons. Er heiratet heimlich Polly Peachum (Lisa Klimaschewski), ebenfalls Bettlerin und Hure. Ihre Eltern erfahren von der Hochzeit und versuchen, Polly zu überreden, sich wieder scheiden zu lassen. Da sie dem nicht zustimmt, nehmen sich Celia (Christa Theißen) und Jonathan Jeremiah Peachum (Matthias Weber) selbst der Sache an.

Sie zeigen Mackie an und als – er das nächste Mal seine Huren – zu denen auch Jenny (Ceren Türkmen) gehört – besucht, wird er verhaftet. Jenny, die ebenfalls in Mackie verliebt ist, hat ihn verraten. Im Gefängnis wird Mackie von Lucy (Ceren Türkmen), seiner anderen Frau, besucht. Als dann Polly vorbeikommt, verleugnet Mackie sie, um sein Gesicht vor Lucy zu wahren. Lucy hilft ihm zu fliehen; doch bald darauf ist er wieder im Gefängnis, da Jenny der Polizei sein Versteck meldet, und ihn so ein zweites Mal verrät. Das Stück endet damit, dass Mackie aufgehängt werden soll.

Die Musik ist ein sehr wichtiger Faktor bei der Umsetzung des Stückes. Im Gegensatz zu den Schauspielern – alles Laiendarsteller und Amateure, die das Theaterspielen als ihr Hobby ansehen – besteht das achtköpfige Orchester aus professionellen Musikern. Besonders stolz ist Regisseur Stähling darauf, dass er den bekannten Pianisten Michael Preiser, der zuletzt in Luxemburg spielte, für seine „Dreigroschenoper“ gewinnen konnte.

Für das kommende Jahr bereitet das „Theater in der Kreide“ das Stück „Schweyk im zweiten Weltkrieg“ von Brecht vor. •nin