Reinhard Stähling
„Du gehörst zu uns“
Inklusive Grundschule.
Ein Praxisbuch für den Umbau der Schule
Baltmannsweiler (Schneider Verlag Hohengeren,
Basiswissen Grundschule Bd. 20) 197 S.,
5. Aufl. 2011, ISBN 978-3834008664, € 15,95
„Du gehörst zu uns“ Inklusive Grundschule
Astrid Kaiser schreibt im Vorwort:
„Selten habe ich ein Buch gelesen, das so voll aus Engagement und Zukunftsvision entwickelt worden ist und doch gleichzeitig mit beiden Beinen in der Praxis steht und konkrete machbare Praxisschritte auf allen Ebenen glaubwürdig zeigt.Der Untertitel „ein Praxisbuch für den Umbau der Schule“ hält, was er verspricht. (…) Ich habe den Eindruck, dass dies das erste Buch ist, das den Ansprüchen von Urie Bronfenbrenner und Nel Noddings, ein Caring Curriculum für die Gegenwart – gerade in Hinblick auf Jungen – zu schaffen, eine konkrete konstruktive Antwort gegeben hat. (…) Als Herausgeberin dieser Reihe kann ich nur betonen, wie stolz ich bin, ein Buch präsentieren zu dürfen, das in mehrfacher Hinsicht ein Fortschritt in der Pädagogik ist.“
Manfred Pollert in GRUNDSCHULE Heft 9 /Juni 2007
Reinhard Stähling, der Autor dieses Buches, ist Schulleiter einer Grundschule in einem sozialen Brennpunkt in Münster und wird durch seine Konzeption zu einem wichtigen Reformpädagogen unserer Tage. Es gelingt ihm, seine Erfahrungen und zukunftsweisenden Ideen in einer Art darzustellen, dass sich die Leser fasziniert auf den programmatischen Weg zum „Umbau der Grundschule“ mitnehmen lassen.
Das erreicht er, weil neben dem wissenschaftlichen Anspruch die Liebe zu den Kindern zu spüren ist. Doch auch die Lehrkräfte, Eltern und alle pädagogischen Mitarbeiter einer Schule werden zu einem liebevolleren Umgang miteinander ermutigt.
Im ersten Teil seines Buches liefert Stähling stichhaltig und überzeugend die Begründung für die Notwendigkeit eines Umbaus unseres Schulsystems. Dabei macht er deutlich, dass vor allem Kinder aus armen Familien oft auf ihr Recht auf Bildung und Förderung verzichten müssen. Auch ist der allgemeine Gesundheitszustand dieser Kinder häufig schlechter. Weiterhin beleuchtet werden Auswirkungen und Folgen der Halbtagsschule, der Lebensumstände von Kindern, der jährlichen Kosten des selektiven Schulsystems durch Klassenwiederholungen, die Auswirkungen von behindernden Vorschriften und Bürokratie sowie die Überlastung der Lehrkräfte.
Das von ihm vorgestellte „inklusive“ Konzept erweitert den Blickwinkel: Rechte der Kinder werden ernst genommen, alle Kinder werden in gleicher Weise in die Bildungsund Betreuungsbemühungen eingeschlossen. Es geht allgemein um ein neues Verständnis des Miteinanders der Kinder. Auf dem Titelbild steht dafür symbolisch die Kinderzeichnung mit der Sprechblase: „Kom in meine Ame“. Dieser Aufruf gegen Aussondern und Teilen der Schülerschaft will vor allem den so genannten „schwachen Schülern“ helfen.
Den zweiten Teil des Buches gestaltet Stähling zu einem praktischen Arbeitsbuch für alle, die an einer Umgestaltung unseres Bildungswesens interessiert sind: Gangbare, zum großen Teil in der Grundschule „Berg Fidel“ in Münster erprobte Wege, werden aufgezeigt: Die Teamschule als Gegenkonzept zum Lehrer als Einzelkämpfer, die „inklusive“ Schule als Gegenkonzept zur gängigen Praxis der Selektion.
Durch viele Beispiele und Einzelbeobachtungen aus dem Schulalltag entsteht ein klares Bild, wie Inklusion in der Praxis aussehen kann und was sie bewirkt. Einzelne Elemente werden wie Bausteine dargestellt:
- Gesundheitsfördernde Prinzipien, die ein Lernen in einer Atmosphäre des Wohlfühlens ermöglichen: Mitbestimmung von Kindern, Eltern und Mitarbeitern, Regeln, Rituale, Klassen- und Schülerrat …
- Ein „Offener Unterricht“, der – bei aller (inneren) Differenzierung – auf Isolierung durch ständige individualisierte Einzelarbeit verzichtet. Auch ist eine sonderpädagogische Förderung in der Regelschule angestrebt.
- Teamarbeit und Kooperation von Erziehern, Sozialpädagogen, Sonderschullehrern, Grundschullehrern und studentischen Mitarbeitern.
- Ganztägige Erziehungsund Bildungsarbeit mit den multiprofessionalen Teams statt additative Betreuung am Nachmittag.
- Pädagogik der Vielfalt in altersgemischten Klassen der Jahrgänge 1 bis 4, in denen ein liebevoller Umgang untereinander gerade Jungen aus armen Familien (oft mit Migrationshintergund) zu neuen Rollen führt: Gefühle werden gezeigt, Fürsorge wird angenommen und gegeben.
Selbst den oft vorgeschobenen Grund: „Das lässt sich ja nicht finanzieren“ , widerlegt Stähling, indem er aufzeigt, wie seine Konzeption in „Berg Fidel“ realisiert wurde. Schließlich bietet das Buch Hilfen für Lehrerkonferenzen. Es werden hierzu – für die einzelne Lehrkraft wie ein ganzes Kollegium – z. B. Übersichten und Fragebögen dargestellt. Deren Beantwortung soll zu einer kritischen Bestandsaufnahme und Reflexion des eigenen Unterrichts- und Erziehungskonzeptes führen.
Alles in allem: Ein informatives Buch, das hoffentlich viele Kollegen und Bildungspolitiker motiviert, neue Wege zu gehen.
Selbst den oft vorgeschobenen Grund: „Das lässt sich ja nicht finanzieren“ , widerlegt Stähling, indem er aufzeigt, wie seine Konzeption in „Berg Fidel“ realisiert wurde. Schließlich bietet das Buch Hilfen für Lehrerkonferenzen. Es werden hierzu – für die einzelne Lehrkraft wie ein ganzes Kollegium – z. B. Übersichten und Fragebögen dargestellt. Deren Beantwortung soll zu einer kritischen Bestandsaufnahme und Reflexion des eigenen Unterrichts- und Erziehungskonzeptes führen.
Helga Lezius in Humane Schule Heft Jg 33 / Mai 2007
Und wieder belehrte mich das Leben, dass uns manchmal gerade von dort der Erfolg winkt, wo wir meinten, eine Katastrophe habe uns ereilt, und dass eine heftige Krise oft der Anfang der Genesung ist.”
Allein die Vor-Worte von Janusz Korczak, die den Leser durch das Buch begleiten, machen das Lesen dieses Buches zu einer Schatzsuche: Wer in unserer gegenwärtigen Schulsituation nach Spuren der Hoffnung sucht, der möchte mehr von Janusz Korzak hören, erst recht, wenn wir daraufhin nach seinen Werken forschen. Ihre Titel („Verteidigt die Kinder“ – „Das Recht des Kindes auf Achtung” – „Wie man Kinder liebensoll“) zeugen von einer unerschütterlichen optimistischen Grundhaltung, die es niemals zuließ, eines der Kinder aufzugaben,und sei es auch noch so „schwierig“.
Und hier sind wir mitten in der Thematik des Buches von Reinhard Stähling, mitten in der Grundschule Berg Fidel in Münster.
„Der Weg zur inklusiven Schule ist machbar“ schreibt Astrid Kaiser im Vorwort des Buches. Und dass er es ist, zeigt der Verfasser in seiner gedanklichen Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Situation und mit der Schilderung dieser Wegbeschreitung an der GGS Berg Fidel klar und einfach auf.
Einfach war er nicht, dieser Weg, auch das zeigt der ausführliche, spannende Praxisteil. Er lässt den Leser teilnehmen an den einzelnen Entwicklungsschritten, konfrontiert ihn mit bürokratischen Unwägbarkeiten und menschlichen Unzulänglichkeiten.
Die Zeit, die für diesen Weg notwendig ist, wird in der „Regelschule“ nicht gegeben, reformpädagogische Häppchen werden dort ohne Hinterfragung geschluckt, schlecht verdaut und damit oft ihrer Sinnhaftigkeit, ihrer Kraft beraubt. Hier aber können wir den Prozess verfolgen, der aus einer sogenannten Brennpunktschule eine inklusive Schule werden lässt, was viel mehr bedeutet als die Zielsetzung einer gelungenen Integration für möglichst viele Schülerinnen und Schüler.
„Du gehörst zu uns“ ist ein Energieschub für jeden Leser, der nicht aufhören will, sich für eine humane Schule einzusetzen! Denn das Buch zeigt, dass sie keine Utopie ist, die humane Schule – mit dieser Anleitung könnte der Umbau an jeder Schule sofort beginnen.
Allerdings – auch in der Grundschule Berg Fidel dürfen die Kinder (noch) nicht ohne Zeugnisse und Ziffernoten lernen. Wie die Schule mit Leistungsnachweisen und Vergleichstests umgeht, ist die einzige, wirklich wichtige Frage, die nur ausweichend beantwortet wird. Dass aber die vierjährige Grundschule für die Kinder selten ausreicht, um ihre Lern-Fortschritte zu stabilisieren, ist nicht dem Einsatz der Pädagogen und Erzieher anzulasten, sondern unserem Schulsystem.
„Du gehörst zu uns!“ Von nun an gehört dieses Buch zu mir wie Kurt Singers „Maßstäbe für eine humane Schule“, wie Hartmut von Hentigs „Schule neu denken“ und das „Schwarz-Weiß-Buch“ der Aktion Humane Schule, herausgegeben von Wulf Wallrabenstein.